Chronik der Kirchengemeinde
Auszüge aus der Chronik
der Kirchengemeinde Senden
Aufgezeichnet durch Pfarrer Bernhard Lücke 1879-1961, siehe auch „Persönlichkeiten“
Vorbemerkung:
Am 8. Mai 2015 wurde vor 70 Jahren die Kapitulationsurkunde unterzeichnet und der II. Weltkrieg war zu Ende. Pfarrer Bernhard Lücke, Ehrenbürger der Gemeinde Senden, lebte vom 02.09.1931 bis 13.02.1961 als Seelsorger in Senden und hat die nachfolgenden Ereignisse aus den Jahren 1945 und 1946 niedergeschrieben.
Karfreitag, 30.3.1945
Plötzlich aber trat ein Umschwung in der Stimmung ein. Gegen 4.30 Uhr waren einige SS-Leute unter Führung eines etwa 20- jährigen Leutnants ins Dorf gekommen; voll Entrüstung über die weißen Fahnen forderte er unter Androhung des Erschießens, sofort die Fahnen einzuziehen; und tatsächlich waren die Fahnen bald wieder verschwunden. Von den SS-Leuten hat man nichts mehr gesehen; nur 3 Jungens der SS tauchten plötzlich auf und spähten von Klostermanns Garten aus unter Anführung von 2 etwa 16-jährigen Mädchen nach einem am Winkelbusch stehenden feindlichen Panzerwagen; doch die etwa 17- jährigen Jungens hatten anscheinend keine Mut und gingen ins Dorf zurück und sind dann spurlos verschwunden.
Den amerikanischen Panzern aber waren die SS-Leute nicht entgangen. Nicht lange, da fliegen feindliche Granaten übe das Dorf hinweg. Neuer Schrecken bemächtigt sich wieder der Bevölkerung, die schleunigst die Unterstände wieder aufsuchen. Doch die Panzer fahren bald wieder ab. Da aber Flugzeuge gemeldet waren, erwartet man nun jeden Augenblick einen Flieger -Angriff. Viele flüchten jetzt in die Bauernschaften, vor allem in Holtrup und in die Huxburg; so waren bei Kruse-Laumann über 50 Personen untergekommen. In dem Pastorat blieben nur gut l Dutzend von den 42 Personen, die hier am Morgen Schutz und Zuflucht gesucht hatten. Man hielt die Bauernschaft für sicherer. Doch es kam ganz anders. Gegen Abend setzte ein mächtiges Artillerie-Feuer der Amerikaner ein, das bis 2 Uhr nachts ununterbrochen anhielt. Die Büsche in Holtrup und Huxburg wurden besonders unter Feuer genommen. Dort sollten sich noch einige 100 Soldaten und SS-Leute aufhalten (Flieger-Meldung). Im Dorf war es verhältnismäßig ruhig, abgesehen von dem Kanonen-Donner, der auch das Dorf nicht zur Ruhe kommen ließ.
Am Karfreitag und Karsamstag sind in unserer Gemeinde 17 deutsche Soldaten gefallen; l Soldat in der Nähe von Janning/ Böckenholt (Dorfbauernschaft), der auf dem Soldaten-Friedhof in Haus Kannen beerdigt wurde. Alle anderen haben auf unserem Friedhof einen Ehrenplatz erhalten mit Angabe ihres Namens; von dreien war der Name nicht festzustellen.
Karsamstag, 31.03.1945
Während die Nacht von Freitag auf Samstag zum Schluss ziemlich ruhig verlief, war der Sonntag (Ostermorgen) recht unruhig. Panzer auf Panzer rollten schon frühzeitig aus der Richtung Buldern und Appelhülsen durch unser Dorf. Das Surren der Flugzeuge ließ nichts Gutes für den Samstag erwarten. Niemand wagte sich hinaus. Gegend Abend wurde es ruhiger. Die Büsche rings um Senden, die in der Nacht von Freitag auf Samstag unter schwerem Geschütz-Feuer gelegen hatten, wurde von den Amerikanern durchkämmt. Etwa 200 Soldaten wurden am Samstagabend, und am Sonntagmorgen (Ostermorgen) noch 40 -50 Soldaten als G efangene in Richtung Buldern abgeführt, zu Anfang und zum Schluss des Gefangenenzuges ein amerikanischer Panzerwagen.
Überall in den Büschen zerstreut lagen die Gefallenen. In der Nacht auf Ostern lag über Buldern und Appelhülsen schweres Geschützfeuer; der Himmel war weithin vom Feuerschein gerötet. Die am Karfreitag in die Bauernschaften Geflüchteten müssen auch heute noch dort bleiben infolge des Ausgeh-Verbotes (außer) von 9-12 Uhr. Am Karsamstag habe ich in aller Frühe und Kürze die hl. Weihen (Weihwasser) in Anwesenheit nur einiger Gläubigen vorgenommen und das hl. Opfer gefeiert.
Oster-Sonntag, 01.04.1945
Als ich am Ostermorgen um 5.15 Uhr zur Kirche ging, war alles still und ruhig auf den Straßen und auch in der Kirche. An Gottesdienst war nicht zu denken; vom Bürgermeister erfuhr ich dann, dass laut einer Vorfügung der Besatzung ein strenges Ausgehverbot für den ganzen Tag bestehe außer von 9-12 Uhr. Ich habe dann in aller Stille bei verschlossenen Türen mit meinem treuen Küster Wilhelm Lammers das Kreuz aufgenommen und das hl. Opfer gefeiert. Das war eine Osterfeier voll Wehmut, aber auch wieder voll Dank und Freude, dass unser Dorf und unsere Pfarrkirche bisher wenigstens den Krieg unbeschädigt, abgesehen von Kleinigkeiten (Fenster, Dach) überstanden hatten.
In der freigegebenen Zeit von 9-12 Uhr sah man immer wieder allerlei Leute vor dem Anschlag der Amerikaner bei Micke stehen, lasen die Bekanntmachungen und gingen schweigend und gedrückt weiter; alle fühlten unwillkürlich, dass eine schwere Zeit bevorstand.
Am Osternachmittag rollten wieder 100te von Panzern aus Richtung Buldern durch unser Dorf, anscheinend in Richtung Münster. In der Nacht von Ostern auf Ostermontag war im Norden ein gewaltiger Feuerschein zu sehen; nachts um 2 Uhr hörte man von Norden her wieder heftigen Kanonendonner, der eine halbe Stunde anhielt.
Oster-Montag, 02.04.1945
Auch für den Ostermontag blieb das Ausgeh-Verbot (außer) von 9 -12 Uhr bestehen mit der Ausnahme, dass in dieser Zeit eine Person pro Familie das Haus zum Einkauf von Lebensmitteln verlassen durfte.
6 Uhr habe ich die hl. Messe gelesen; 3 Personen aus der Pastorat, der Bürgermeister Woltin (evangelisch), 2 amerikanische Soldaten und der Küster waren anwesend. Der Morgen verlief ruhig; aber am Nachmittag gab es eine große Überraschung: Gegen 2.00 Uhr fuhr eine amerikanische Sanitäts-Kolonne am Krankenhaus vor; ein Sanitäts-Offizier teilte der Schwester Oberin (Schw. Rumolda) mit, das Krankenhaus sei beschlagnahmt und müsse bis 5 Uhr geräumt sein. Es solle als amerikanische Reserve-Lazarett eingerichtet werden; das ganze Personal solle in Haus Kannen untergebracht werden. „C´est la guerre!- Das ist eben Krieg!“ war seine Entschuldigung.
Eine lebhafte Tätigkeit setzte ein, um das Haus zu räumen und zu retten, was noch zu retten war. Männer und Frauen, an der Spitze die Schw. Oberin mit ihren Schwestern, waren ununterbrochen tätig. Aber wohin mit all den Sachen? Zum Pfarrheim in der Vikarie und in die Pastorat!
Punkt 5 Uhr war die Sanitäts-Kolonne da mit einer Ruhe und Selbstverständlichkeit, als ob es sich um die gleichgültigste Sache von der Welt handelte. Selbstverständlich war es unmöglich, in der kurzen Zeit von 3 Stunden das Haus zu räumen, Man hatte hinausgeschafft, was möglich war; ein trauriger Anblick vor und hinter dem Krankenhaus, alles bunt durcheinander: Betten, Wäsche, Einmach-Gläser, Decken, Stühle, Möbel, Tische usw. usw.
Da, auf einmal der Ruf: Der Sanitätswagen ist da! Was nun? Nur zum Teil war das Haus geräumt. Doch das Sanitäts-Personal war nobel, wartete geduldig und lassen uns weiter Zeit zum Räumen: l Stunde, 2 Stunden…, doch da verlieren auch sie die Geduld; sie greifen selbst mit ein. Aber wie? Werfen alles, was ihnen gut dünkt, zum Fenster hinaus in den Hofraum: Betten, Schränke, Garderoben usw. Zerbrochen kommt alles unten an. Die Stühle aber behalten sie für sich. Zum Schluss werden die Kranken, alte Leute, Hausgehilfinnen und Schwestern mit den Sanitätswagen nach Haus Kannen abtransportiert; nur die Schw. Oberin mit 2 Schwestern bleiben auf meinen Wunsch hier und fanden in der Pastorat Aufnahme. Alle Zimmer in der Pastorat waren von meinen Nachbarn und anderen aus dem Dorf besetzt, die hier Zuflucht suchten.
Schon seit Anfang des Krieges war mein Keller bei Bomben-Angriffen der Zufluchtsort meiner Nachbarn wie auch der Schulkinder, wenn während des Schulunterrichtes Fliegeralarm gegeben wurde. Auch Waschstücke, Kleider, und die verschiedensten Sachen waren im Keller und auch oben auf dem Boden der Pastorat verstaut. Als dann am Freitag die Amerikaner kamen und besonders nach der Schreckensnacht von Ostern auf Ostermontag erhöhte sich die Zahl der im Pfarrhaus Zuflucht suchenden auf 52. Ein höchst interessantes, aber zugleich auch trauriges Bild: Vom Keller bis zum Boden alles besetzt ! Alle waren frohen Mutes in der Hoffnung und dem Glauben, dass sie hier vor allen Belästigungen bewahrt blieben.
Freilich kamen auch zum Pfarrhaus über Tag hier und da Soldaten. Ich muß aber zu ihrem Lobe sagen, dass sie sich mir gegenüber in jeder Beziehung anständig und nobel benahmen; sobald sie in mir den Priester erkannten, grüßten sie und verschwanden. Offenbar hatten sie von ihren Vorgesetzten die Anweisung, gegen Geistliche sich korrekt zu benehmen.
Nicht nur das Krankenhaus musste geräumt werden; auch die benachbarten Häuser: Kaplanei, Vikarie-Gebäude Ss. Antonii et Theobaldi (z. Teil), das Haus des Lehrers Wittkamp, Frau Köchling, Vikar Wessel, der in der Kaplanei wohnte, fand in der Vikarie bei dem Oberregierungsrat Heinrich Sennekamp Aufnahme.
Um aber das Pfarrhaus mit meinen Schutzbefohlenen vor alle Belästigungen zu bewahren, hatte ich den amerikanischen Kommandanten – ein sehr feiner und nobler Mann – gebeten, durch Ausstellung eines Ausweises mein Haus vor den Soldaten zu schützen mit der Begründung, dass in der Pastorat 52 Personen, darunter die Schwestern des von den Amerikanern als Reserve-Lazarett beschlagnahmten Krankenhauses wohnten. In 2 Minuten hatte ich das Plakat mit der Aufschrift: „Off Limits to all military personel – Verbotener Eingang für alle Militär-Personen“. Zudem gab er mir noch verschiedene Ausweise zur freien Bewegung für seelsorgliche Zwecke. So hatte der Ostermontag einen ruhigen Anfang genommen, hatte aber einen aufregenden Nachmittag und eine noch schrecklichere Nacht, eine Nacht voll Schrecken, Angst und Not.
Am Tage, bevor die Amerikaner kamen, also am Gründonnerstag, hatte der Brennerei-Besitzer Th. Brüggemann sein reichhaltiges „Schnapslager“ geöffnete. Jeder konnte 4, später 2 Flaschen Schnaps bekommen. So war wohl in jedem Haus mehr oder weniger Branntwein vorhanden. Als dann am Samstag die feindlichen Truppen einzogen, holten auch sie sich Körbe voll von diesem Zeug; die Folge war, dass sie am Montagabend betrunken durch die Straßen torkelten. Und dann erst die Nacht! Sie drangen in die Häuser ein, raubten und plünderten und zerschlugen was ihnen in die Finger fiel.
Schlimm war es besonders für die Wohnungen, wo sie ein Hitler-Bild vorfanden, wie Wilde haben sie da gehaust. Und das Schlimmste und Gemeinste: Sie vergriffen sich an Frauen und Mädchen in der abscheulichsten und schamlosesten Weise. Die Feder sträubt sich, darüber Näheres zu berichten. Ist das die immer so gepriesene Kultur von Amerika und England? Ist das christlich, wie sie sich nennen? –
Oster-Dienstag, 03.04.1945
Totenstille herrschte auf allen Straßen, als ich am Dienstagmorgen gegen 7 Uhr zur Kirche ging; den wenigen Leuten, die mir begegneten, stand der Schrecken und die Angst noch auf den Gesichtern; mit Tränen in den Augen erzählten sie von dem Schrecklichen, was sich in der Nacht in unserem sonst so friedlichen und ruhigen Dorf abgespielt hatte.
Der Dienstag verlief im allgemeinen ruhig. Wie freuten wir uns , als gegen Mittag die Soldaten in Richtung Münster abzogen. Aber die Freude war nicht von langer Dauer. Schon am Nachmittag zogen neue Truppen ein; darunter viele Neger. Schon beim Einmarsch machten sie einen verwegenen Eindruck.
Mit banger Sorge sahen wir nach den Erfahrungen der letzte Nacht der kommenden Nacht entgegen. Ganze Familien suchten in den Bauernschaften Zuflucht und Sicherheit für die Nacht, da nur das Dorf mit Truppen belegt war. In der Nacht wiederholten sich dieselben Scheußlichkeiten wie in der Nacht von Ostemontag auf Dienstag. Ja, man kann wohl sagen, in noch größerem und gemeinerem Ausmaße. Man sollte es nicht für möglich halten, wie Menschen Frauen und Mädchen stundenlang in der gemeinsten Weise belästigen können. Gott (sei) Dank aber haben sich die Frauen und Mädchen, soweit sie sich nicht verstecken konnten, zum allergrößten Teil bis zum äußersten gegen die Horden mit Erfolg gewehrt; selbst beim Androhen mit Erschießen blieben sie fest und standhaft. Dazu kamen noch die Plünderungen; ganze Häuser wurden, ausgeplündert, Möbel durchwühlt; was die Bande nicht raubte, zerschlug sie oder warf es auf die Straße und verjagte die Bewohner aus ihren Häusern.
Doch muss der Wahrheit wegen auch gesagt werden, dass auch unter diesen Soldaten viele waren, die sich in jeder Beziehung höflich und anständig benahmen. Der Alkohol war auch hier wieder zum großen Teil Schuld an den Vorgängen.
Am Dienstagmorgen habe ich von der Leichenhalle des Krankenhauses um 9 Uhr 2 Leichen beerdigt, die schon am Samstag beerdigt werden sollten; das anhaltende Geschützfeuer und die Tiefflieger ließen es nicht zu. Es waren Felix Rüter, der am Dienstag vorher schwer bei Feldarbeiten durch ein Flieger-Geschoß verwundet war (11 Jahre) und ein Ukrainerkind von 4 Jahren.
Oster-Mittwoch, 04.04.1945
Auch für heute bleibt die Ausgehzeit wie in den Tagen vorher von 9 – 12 bestehen, Der Tag verlief im allgemeinen ruhig. Allmählich fanden sich auch wieder mehr Leute des Morgens in der Kirche zum hl. Opfer ein.
Im Laufe des Morgens suchten eine Reihe von Männern, Frauen und Mädchen das Amtshaus auf, um bei den dort anwesenden amerikanischen Offizieren Beschwerde über die Vorkommnisse in der Nacht zu erheben. Sie versprachen strenge Bestrafung der Übeltäter – wahrscheinlich aber nur zur Beruhigung der Leute, denn man hat von einer Bestrafung später nichts erfahren; man merkte aber den Offizieren an, dass ihnen die Vorkommnisse sehr unangenehm waren.
Am Nachmittag gegen 5 Uhr gingen 3 junge Polen von etwa 18 Jahren in die Wohnung meines Nachbarn Hauptlehrers Schöller; mit ein Paar Schuhen und ähnlichen Sachen kamen sie wieder heraus. Selbst am hellen Tag ist man vor Plünderungen nicht mehr sicher, wie man aus den Nachbarorten Nottuln, Darup, Haltern, wo die Polen in Lagern untergebracht waren, schon seit Wochen hörte. Doch hörte man auch hier, wie die Polen, die hier bei den Bauern in Stellung waren bzw. untergebracht waren, die Landbevölkerung drangsalierten, nachts auf Raub ausgingen und mit Erschießen drohten. Wie unverschämt und boshaft die Polen waren, zeigt ein Beispiel, das sich bei dem Bauern Brockmann/Grothues in Schölling zutrug, bei dem es der Pole bestimmt gut hatte: Ein junger Pole, der dort im vorigen Jahr einige Zeit gearbeitet hatte, bedrohte den Besitzer mit Erschießen, weil er ihm am Abend keine Zigarre gegeben hatte.
Nicht viel besser waren auch die Italiener, die seit 1944 im Schloss untergebracht waren und auch nicht die Russen, die bei Busche einquartiert waren.
Die Bauern hatten darum zum Schutz gegen diese Banden und Plünderer eine Schutz-Nachtwache eingerichtet; durch Lichtsignale auf den Dächern gaben sie sich gegenseitig Nachricht beim Heranahen dieser Horden und eilten dann mit Knüppeln, Mistgabeln und anderen Instrumenten zur Hilfe herbei. Manche Bauernhäuser wurden so vor diesen Banditen bewahrt. Im Grunde waren sie doch feige und flohen, wenn sie Widerstand fanden.
Die Italiener, die im Schloss untergebracht waren, haben hier wie Wilde gehaust; das Inventar haben sie als Brandholz benutzt, ebenso auch die Fußbodenbretter, Bilder und andere Gegenstände wurden in die Gräfte geworfen, Obstbäume geplündert, bei den Bauern das Vieh auf der Weide abgeschlachtet. Sie waren aber im allgemeinen anständiger wie die Russen, aber viel besser waren sie auch nicht. Am 24. Juli haben die Italiener Senden wieder verlassen und sind in ihre Heimat zurückgekehrt.
Auch die Russen, die seit einem guten Vierteljahr in der Wirtschaft Busche einquartiert waren, sind Ende Juli wieder abtransportiert (worden). Plünderungen beim größten Teil der Bauern, Belästigungen, und Vergewaltigungen von Frauen und Mädchen und andere Schandtaten, Rauben und Plündern waren ihre Hauptbeschäftigung; eine wahre Pest für unsere Gemeinde. Und, was man eigentlich nicht hätte erwarten sollen – die Besatzung, Amerikaner und Belgier, ihre Bundesgenossen, ließen sie ruhig gewähren.
Infolge der Einberufung zum Militärdienst (16 – 60 Jahre) waren manche Höfe ohne arbeitsfähige Männer. Frauen und Mädchen mussten mit den Gefangenen (Franzosen, Polen und Russen), die hier teilweise in Lagern, einzeln auch bei Familien untergebracht waren, den Hof bewirtschaften.
Mädchen wurden als Schaffnerinnen bei der Bahn, als Briefträgerinnen bei der Post, als Flakhelferinnen für den Nachrichtendienst und in Munitionsbetrieben, selbst zu Schanzarbeiten eingezogen.
Seit den schweren Flieger-Angriffen auf Münster im Juli 1941, 10.10.1943 und besonders 12.09.1944 wurden viele Münsteraner auf das Land evakuiert; ganze Scharen kamen abends nach Senden auf Fahrrädern, um hier in Scheunen, Wäldern und Alleen für die Nacht Zuflucht zu suchen.
Große Beunruhigung brachten seit Anfang 1944 und besonders 1945 die Bomber-Verbände und Tiefflieger, die fast täglich Tag und Nacht mehrmals unser Dorf überflogen und viel Unheil anrichteten. So zählte an einem Morgen in einer Bauernschaft (Dorfbauernschaft) man 168 Bombentrichter; eine ganze Reihe Häuser wurden schwer beschädigt. Personen sind in der Nacht nicht verletzt.
Oster-Donnerstag, 05.04.1945
In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag hörte man andauernd das Rollen der Geschütze in der Richtung Münster. Das Ausgeh-Verbot war von heute an gemildert; von 7 Uhr morgens bis 6 Uhr abends ist der Ausgang gestattet.
Kurz nach Mittag kommt die Nachricht, dass neue Truppen im Anzug sind. Innerhalb einer Stunde müssen mehrere Häuser auf der Gartenstraße geräumt werden. 4.30 Uhr rollten die Panzer- und andere Geschützwagen heran und nahmen zum Teil auf dem Schulplatz Aufstellung.
Gegen Abend kamen zwei von diesen Soldaten in mein Nebenhaus, das von dem Inventar meiner Nachbarn und des Krankenhauses von Ostermontag her überbelegt war. Angeblich wollten; sie ihre Wagen auf der Tenne unterstellen, wahrscheinlich aber suchten sie eine Gelegenheit, auch hier zu plündern und zu rauben; sie machten wenigstens den Eindruck. Mein Hinweis auf den „Off Limits“-Anschlag machte keinen Eindruck; dann aber meine Bemerkung: „I will go and feeh the Offizier -Ich werde mich mit dem Offizier in Verbindung setzen“ hatte unerwarteten Erfolg: Eilends sprangen sie über das Hoftor und zogen enttäuscht ab. Anscheinend haben die Soldaten vor ihrem Offizier allerlei Respekt.
Gegen Mittag tauchte plötzlich ein Sanitäts-Soldat in der Pastorat auf: Kaplan Paul Mangel, mein Pfarrkind, z.Z. Kaplan in Alt-Schermbeck, geb. 25.03.1914, geweiht am 17.12.1938, (mit) 19 zur Wehrmacht eingezogen. Nach einer Blinddarm-Operation in Münster/Westf. war er für 14 Tage zur Erholung in Tillbeck bei Münster beurlaubt, um sich dann wieder beim Ersatz -Bataillon zu melden. Nach wenigen Tagen aber nahm sein Urlaub ein unerwartetes Ende. Sofort hatte er sich hier als Soldat bei dem amerikanischen Offizier im Amtshaus gemeldet, er wurde aber wieder entlassen, bis der Orts-Kommandant da sei. Als er sich dann am Abend wieder vorstellte, wurde er mit zwei Kameraden als Gefangener abtransportiert. Am Abend um 9 Uhr kam dann ein amerikanischer Feld-Geistlicher mit einem Dolmetscher ins Pfarrhaus und überreichte mir ein Brief von Paul Mangel; er teilte darin mit, dass er vorläufig nach Hullern bei Haltern (Westf.) ins Gefangenenlager käme, würde sehr freundlich behandelt und bekäme einen „Mess-Koffer“. Der Dolmetscher sagte dann noch, er bliebe in Deutschland wahrscheinlich links des Rheins.
Am Abend hatte ich dann noch mit Lehrer Holtmann zusammen eine lange Unterhaltung mit den beiden Amerikanern, die einen vorzüglichen Eindruck machten. Bezüglich der Zukunft gaben sie erfreuliche Aussichten; die Zivil-Verwaltung gehe weiter wie bisher, aber unter Aufsicht des Kommandanten; die Zukunft würde auf der Grundlage der Religion aufgebaut; auch der Schulbetrieb werde weiter gehen, jedoch der „Pan Germanismus“ würde restlos beseitigt.
Freitag, 06.04.1945
Die Nacht von Donnerstag auf Freitag verlief ruhig und ungestört. Als ich gegen 7 Uhr zur Kirche ging, um das hl. Opfer zu feiern, herrschte bei den Truppen recht lebhaftes Treiben; anscheinend trafen sie Vorbereitungen für den Abzug. In der hl. Messe kommunizierten 3 amerikanische Soldaten, ein angenehmer Gegensatz zu den plündernden und zügellosen Soldaten vergangener Nächte. Wie erfreulich und schön könnte es sein, wenn doch alle Soldaten von dem Geiste dieser drei Amerikaner erfüllt wären!
Gegen 10 Uhr rollten die Geschützwagen ab in Richtung Münster. Auch vom Schulplatz waren sämtliche Geschütze verschwunden und mit ihnen auch die Soldaten. So verlief der Tag ruhig und friedlich. Hoffentlich bleibt es auch in Zukunft so; wir haben amerikanische Kultur und auch Unkultur hinlänglich kennen gelernt.
Die amerikanischen Soldaten haben aber auch noch Sinn für Humor. Als ich gegen 8 Uhr mit Lehrer Holtmann vor der Haustür stand, sahen wir eine Streife von 4 amerikanischen Soldaten über den Schulplatz kommen; einer von ihnen hatte als Kopfbedeckung einen regelrechten Zylinder-Chapeauclaque, ein anderer hatte einen schönen eichenen Handstock in der Hand. Am Tor der Pastorat grüßten sie freundlich herüber. Wir erwiderten den Gruß, öffneten das Tor und gingen ihnen entgegen. Da grüßte der eine Soldat nochmals und überreichte mir seinen Zylinder, wobei er durch sein Gestikulieren sagen wollte: „Für mich ist das nicht das Richtige; er passt besser für den Pfarrer“. Die anderen stimmten lachend ein; ich nahm ihn dankend an und gab ihn weiter an Holtmann, dem vor einigen Tagen ein Zylinder geklaut war. Unter viel Zeremoniell und zur Freude der anderen Soldaten erhielt ich dann den eichenen Handstock, den ich als Andenken behalten möchte. Wir haben uns dann noch lange mit ihnen unterhalten; sie erzählten uns von ihren Familien, ihrer Mutter und ihren Schwestern, von denen eine Ordensschwester war, zeigten uns ihren Rosenkranz und ihre Medaillen mit der amerikanischen Flagge im oberen Feld und dem Herzen Jesu und Maria in den anderen Feldern, ein Bild von der Schwester, die Nonne war und ihr Gebetbuch. Das war ein recht erfreuliches Erlebnis am Abend dieses Tages.
Samstag, 07.04.1945
Als ich am Morgen zur Kirche ging – das Ausgeh-Verbot ist jetzt von 7 Uhr abends bis 6 Uhr morgens festgesetzt – war es im Dorf still und ruhig. Auf dem Kirchplatz und den Straßen lagen Benzin-Behälter, Patronen-Hülsen und allerlei Gerumpel. Der Kirchplatz, auf dem eine Reihe Wagen Aufstellung gefunden hatten, machte einen wüsten Eindruck; der gepflasterte Weg war vielfach aufgerissen, die steinernen Pfähle der Umfassung vielfach umgefahren. Viele waren schon mit Räumungsarbeiten beschäftigt. Bei der hl. Messe waren gut 20 Gläubige anwesend.
Beim Verlassen der Kirche hörte ich, wie in der Nacht und gestern auch schon Übertag Polen sich zusammenrotteten, besonders in den Bauernschaften auf Raub ausgingen, Fahrräder und Kleider raubten und Bauernhäuser überfielen. Doch die Bauern waren inzwischen auf solche Überfälle durch ihre Lichtsignale vorbereitet und rotteten sich zum Schutze gegen diese Banden zusammen. Wenn dann die Bauern mit ihren Mistgabeln und ähnlichen Instrumenten sich zur Wehr setzten, waren diese Feiglinge ebenso schnell verschwunden, wie sie gekommen waren. Jeden Tag herrschte ziemlich lebhafte Fliegertätigkeit. Aber welcher Unterschied gegen früher! Wenn dann feindliche Flugzeuge nahten, flüchtete alles in die Keller und Bunker und jetzt verfolgt man ihren Flug mit Interesse. Im übrigen verläuft der Tag ruhig.
Sonntag, 08.04.1945
Auch für heute und die folgenden Tage ist das Ausgeh-Verbot von 7 Uhr abends bis 6 Uhr morgens aufgehoben. Darum begannen die hl. Messen 7.30, 8.30 und 9.30 Uhr. Die Kirche war bis auf den letzten Platz in allen hl. Messen besetzt. Es war das erste Mal, dass der Gottesdienst wieder in der gewohnten Weise stattfand. Freude und frohe Zuversicht auf allen Gesichtern, lebhaftes, freudiges Begrüßen überall. In meiner Predigt gab ich der Freude darüber Ausdruck, dass unsere Gemeinde durch Gottes gnädigen Schutz diese schweren Tage der letzten Zeit verhältnismäßig gut überstanden habe, forderte zum Danke dafür Gott gegenüber auf, mahnte zur Ruhe und Besonnenheit, machte ihnen Mut und frohe Zuversicht auch für die Zukunft. Wohl selten wurde eine Predigt so aufmerksam angehört.
Gegen l Uhr mittags kam ein englischer Offizier mit dem Holzhändler Scheiwe als Dolmetscher, der nach Senden evakuiert war. Er bat mich, das Amt des Bürgermeisters für Senden zu übernehmen. Nach kurzer Überlegung habe ich abgelehnt:
- aus Rücksicht auf den Bürgermeister Woltin, der in all den Jahren sehr entgegenkommend war und nie Schwierigkeiten gemacht hat und
- weil nach meiner Meinung aus der Vereinigung von Pfarr- und Bürgermeisteramt nur Schwierigkeiten, für die Seelsorge – auch für später – entstehen würden.
Die Unterhaltung dauerte etwa eine halbe Stunde, und verlief ergebnislos. Der Offizier war schwer enttäuscht, blieb aber ruhig und verabschiedete sich in freundlicher Weise. Im Laufe des Nachmittags kamen neue Truppen, Engländer. Es sollte die vorläufige Besatzung sein. Auf der Münster- und der Herrenstraße sollten sie einquartiert werden – etwa 200 bis 300 Mann. Viele Familien mussten zum 2. Mal die Wohnung räumen.
Montag, 09.04.1945
In der Nacht lebhafter Kanonendonner aus dem Industriegebiet Hamm und Dortmund; hier aber ruhig.
Kurz nach Mittag kam ein amerikanischer Feld-Geistlicher, ein Herz-Jesu-Pater, mit einem Brief von den Missionsschwestern in Amerika für die Herz-Jesu-Schwestern in Hiltrup. Ein äußerst sympathischer Herr. Am anderen Morgen möchte er um 9.30 Uhr die hl. Messe lesen. Der Besuch von Seiten der Soldaten war recht gut.
Nachmittags um 3 Uhr kam ein amerikanischer (englischer) Offizier – derselbe, der gestern hier war – nochmals mit einigen Begleitern ins Pfarrhaus. Im Gegensatz zu gestern war er nun sehr offiziell, aber doch recht aufgeräumt und freundlich. Nochmals redete er auf mich ein, ich möchte doch den Posten des Bürgermeisters, wie auch andere Pfarrer, übernehmen. Ich versuchte nochmals, ihm die Gründe klar zu machen, warum ich das ablehnen müsste. Schließlich erkannte er die Gründe an und bat mich dann, ihm einige Kandidaten für den Bürgermeisterposten vorzuschlagen. Ich nannte ihm nochmals den bisherigen Bürgermeister Woltin; er lehnte aber ab. Ich schlug ihm dann die beiden Bauern Franz Schulze Höping und Franz Schulze Schölling vor. Nach einem Bericht über ihre Einstellung zur Partei, ihren Beruf und ihre bisherige Tätigkeit wurden beide per Auto zur Pastorat geholt; gegen 5 Uhr begannen die Verhandlungen. Beide mussten einen unendlich langen Fragebogen ausfüllen und ihre Ansicht über Hitlers „Mein Kampf“ abgeben.
Beides fiel zur Zufriedenheit aus. Es folgte nun noch eine kurze Besprechung unter Abwesenheit der beiden Kandidaten. „Wen soll ich denn nun als Bürgermeister nehmen? Wen halten Sie für geeignet?“ „Beide sind geeignet und durchaus zuverlässig“ entgegnete ich. Der Erfolg: Schulze Höping wurde Bürgermeister und Schulze Schölling sein „Assistent“. Beide Urkunden wurden ausgefertigt und ihnen übergeben. Um 6.30 Uhr waren die Verhandlungen abgeschlossenen. Die Offiziere verabschiedeten sich in freundlicher Weise und begaben sich dann zum Bürgermeister Woltin, um ihm zu eröffnen, dass von nun an Schulze Höping sein Amt als Bürgermeister übernehmen. würde.
Es war eine richtige und sehr gute Lösung. Beide, Schulze Höping und ebenso Schulze Schölling, stehen hier im allerbesten Rufe und erfreuen sich in der Gemeinde Senden des unumschränkten Vertrauens.
Dienstag, 10.04.1945
Am Nachmittag gegen 5 Uhr kamen wieder neue amerikanische Truppen direkt von der Front. Auf Anweisung des neuen Bürgermeisters Höping – erste Amtshandlung – wurden sie in den Schulklassen untergebracht, anstatt wieder Wohnungen zu räumen. Dadurch hat sich der Bürgermeister überaus gut eingeführt, was auch allgemein anerkannt wurde.
Am Mittwoch (11.4.) gegen 3 Uhr sind sie wieder abgezogen.
30.05.1945
Am 30.05.1945 musste nach einer Verfügung der Militär-Behörde (belgischer Kommandant) die Fronleichnams-Prozession auf den folgenden Sonntag verlegt werden; außerdem dürfe die Prozession nicht den Weg über den Schulplatz nehmen, weil dort Panzer aufgestellt wären. Daraufhin ging ich zum Kommandanten, um den Schulplatz für die Prozession freizugeben. Es blieb aber dabei, weil es eine allgemeine Kriegsregel sei, dass Plätze, auf denen Geschütze aufgestellt seien, von Zivilpersonen nicht betreten werden dürften. Auf seine Frage, welche Diözese hier sei und ich ihm sagte, es sei die Diözese Münster, sagte er unwillkürlich: Aah, Clemens August! Bischof! Der einzige deutsche Mann und Bischof!
Dann wollte er für seine Soldaten am Sonntag einen besonderen Gottesdienst um 9.30 Uhr haben. Auf meine Gegengründe war er dann damit einverstanden, dass seine Leute um 10 Uhr das Hochamt besuchten. Am Sonntag waren die Soldaten pünktlich mit ihrem Kommandanten an der Spitze zu Stelle, der dann mit den meisten Soldaten im Hochamt zur Kommunion ging und so auch an den meisten folgenden Sonntagen. Das war ein schönes Beispiel für die ganze Gemeinde. Irgendwelche Schwierigkeiten haben wir mit dieser Besatzung nicht gehabt, Soldaten und Kommandant waren in jeder Beziehung in Ordnung.
Sonntag, 03.06.1945
Nach 6 Jahren war die 1939 verbotene Fronleichnams-Prozession wieder in alt gewohnter Weise. Die Beteiligung war überaus zahlreich, die Häuser und Straßen hervorragend geschmückt. Selbst Männer und Frauen, die sonst an der Prozession – in all den letzten Jahren wenigstens – nicht teilnahmen, waren zahlreich vertreten.
2l. und 22.06.1945
Am Donnerstag und Freitag, dem 21.und 22. Juni wurden die im Februar abgelieferten Glocken wieder aufmontiert. Am 12.01.42 waren sie von der Militärbehörde beschlagnahmt und am 11.02.1942 nach Lünen zum Lagerplatz abgeliefert. Eine von den 3 abgelieferten Glocken, die größte, war eingeschmolzen. Ebenso wurde auch die Angelus-Glocke, die für die Kriegszeit der Pfarre Venne bei Senden überlassen wurde, um sie vor der Beschlagnahme zu bewahren, ihrer alten Bestimmung in Senden wieder übergeben. Als Ersatz für die eingeschmolzene Glocke ist bereits eine neue Glocke bei Edelbrock/Petit in Gescher in Auftrag gegeben.
24.07.1945
Zum ersten Male, am Dienstag, dem 24. Juli 1945, war wieder in der durch den Flieger-Angriff am 24. Februar 1945 zerstörten Krankenhaus-Kapelle hl. Messe. Die Wiederherstellungsarbeiten waren ausgeführt von dem Bauunternehmer Theodor Schneider aus Münster, der hierher evakuiert war. Es war ein Freudentag für das Krankenhaus und die ganze Gemeinde.
03.09.1945
Am 03.09.1945 wurde der Schulunterricht für die 4 unteren Jahrgänge wieder eröffnet. 7.30 Uhr war aus diesem Anlass Hochamt und Predigt; Eltern und Kinder waren vollzählig erschienen. Sofort nach dem Hochamt begann der Schulunterricht. 66 Lernanfänger wurden eingeschult. Schon fast von Anfang des Kriegs waren die Schulverhältnisse recht übel; der Unterricht musste wegen Flieger-Alarms oft ausgesetzt werden. Dann später waren die Schulzimmer, besonders 44 und 45, mit Flak-Soldaten, dann mit Russen belegt. Eine Zeitlang wurde in den Sälen der Gastwirte Schulunterricht erteilt; ein unhaltbarer Zustand für Kinder und Lehrer; bald wurde darum damit Schluss gemacht.
12. – 31. Oktober 1945
Vom 12. – 31. Oktober 1945 kamen hier in zwei Transporten ungefähr 200 Flüchtlinge aus dem Osten an.
1946
Infolge des anhaltenden Regens in den ersten Tagen der Woche vom 3. bis 9. Februar 1946 war das Wasser in Stever und Dümmer bedeutend gestiegen und teilweise über die Ufer getreten und hatte Wiesen und Weiden überflutet; am Donnerstagmorgen war das Wasser fast ganz wieder versackt.
Gegen Abend des Donnerstag, den 7. Febr., setzte der Regen von neuem wieder ein, der mit kleinen Unterbrechungen bis Samstagmorgen fort dauerte. Schon am Freitagmittag traten Stever und Dümmer über ihre Ufer; gegen 5 Uhr hatten sich die beiden Bäche über die Pastoratsweide der Schule gegenüber, Schulplatz und Palz Weide vereinigt. Der Boden konnte die riesigen Wassermassen nicht mehr aufnehmen.
Das Wasser stieg mit unheimlicher Schnelligkeit; „Wiesen, Weiden und Gärten ringsum, so weit man sehen konnte, waren ein großer See. Auch in der Nacht stieg das Wasser infolge des anhaltenden Regens andauernd höher. Am Samstagmorgen waren die Straßen von den Wassermassen überflutet; es gab im ganzen Dorf wohl kaum ein Haus, dessen Keller nicht unter Wasser standen, in manchen Häusern, besonders auf der Münster- und der Gartenstraße bis zu 60 cm Höhe. In den Bauernschaften war es ebenso schlimm. Die Bauern mussten ihr Vieh vielfach aus den Wasser überfluteten Ställen herausholen. Brücken waren zerstört, teilweise weg geschwommen. Bäume entwurzelt. Gärten und Felder boten einen traurigen Anblick. Auf der Münsterstraße fuhren Jungens und Belgier, die hier noch zur Besatzung sind, munter in ihrem Kahn von Haus zu Haus. Das Pfarrhaus war weithin von Wasser umgeben bis zu einer Höhe von 60 cm; durch die Kellerfenster war in den sonst staubtrockenen Keller Wasser gedrungen und stand dort 1,15m hoch. Ähnlich war es auch im Krankenhaus und im Kaplanei-Gebäude. In die Kirche war das Wasser aber nicht gedrungen; aber der Kirchplatz hatte durch die Wassermassen schwer gelitten.
So schnell die Wassermassen gekommen waren, so schnell zogen sie auch wieder ab. Am Sonntagmorgen waren die Straßen wieder frei vom Wasser, dagegen stand es in den Gärten und Wiesen tagelang. Am Sonntag und Montag wurden die Keller durch die Feuerwehr wieder ausgepumpt.
Selbst die ältesten Leute in Senden wissen sich einer solchen Wasserflut nicht zu erinnern. Im Jahre 1891 war Senden nach dem Bericht der alten Leute von einer ähnlichen Überschwemmung heimgesucht, freilich nicht in dem Maße wie heute. Etwas Ähnliches erlebten wir in Senden auch am Pfingstfeste 1932; auch da waren Wiesen, Weiden und Gärten weithin überschwemmt; dazu kam 1932 auch noch ein vernichtender Hagelschlag, der die Früchte in Feld und Garten zum großen Teil zerstörte.
Im übrigen war der Winter 1945/46 sehr milde, eine wahre Wohltat bei dem herrschenden Kohlenmangel; der erste Schnee fiel am 22. Februar 1946, war aber am folgenden Tag wieder so gut wie verschwunden.
21.03.1946
Das Hotel Fels an der Herrenstraße, Inhaber Bernhard Schulte Volmer, in dem ein Teil der belgischen Besatzung untergebracht war, wurde durch eine Feuersbrunst bis auf den Grund vernichtet. Es war eines der ältesten Gasthäuser unserer Gemeinde und stand im allerbesten Rufe wie auch der Inhaber Schulte-Volmer sich allgemeiner Achtung wegen seines offenen und ehrlichen Charakters erfreute.
06.04.1946
Die letzten Truppen der belgischen Besatzung sind nach gut einem Jahre endlich wieder abgezogen. Kommandant und Soldaten waren durchaus in Ordnung.
21.05.1946
Am Dienstag, dem 21.05.1946, wurde die „private Rektoratschule“ unter dem Namen „Mittelschule“ wieder eröffnet. Zu Ostern 1940 war sie unter Rektor Lammerskötter aus nichtigen Gründen trotz der vorzüglichen Leistungen der Schule aufgelöst; ein geistlicher Rektor war für die „Nazis“ nie tragbar; das war der eigentliche Grund der Auflösung.
26.05. – 09.06.1946
wurde für die Männer und Jungmänner eine religiöse Woche gehalten vom Herrn Pater Wesseling aus dem Herz-Jesu-Kloster in Hamm. Beteiligung recht gut.
20.06.1946
Lehrer Fritz Jenkner, der hier- an der Volksschule angestellt ist und seit dem 01.10.1945 den Orgeldienst versieht, ist hier endgültig als Organist angestellt.
01.07.1946
Der 1934 errichtete Kindergarten wurde vom Bürgermeister Schulze Höping der katholischen Kirchengemeinde übertragen; am Montag, dem 0l.07.1946 wurde der Unterricht aufgenommen. Als Kindergärtnerin wurde Fräulein Elisabeth Vornefeld angestellt.
02.08.1946
Der H. H. Weihbischof Heinrich Roleff erteilte am 02.08.1946 312 Kindern das hl. Sakrament der Firmung.
Am Nachmittag war die Spendung der hl. Firmung in der Pfarrkirche in Venne.
22.10.1945 bis 09.07.1946
In der Zeit vom 22.10.45 bis 09.07.1946 kamen hier in 11 Flüchtlingszügen aus dem Osten gut 1.100 Flüchtlinge an.